Zukunft: November 2024 Einzelausstellung, Kloster Kamp, Kamp-Lintfort

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Thomas Schiela oder: Warum man malen muss, was man fotografiert hat.

Warum soll man etwas malen, wenn man es auch fotografieren kann? Warum soll man eine Fotografie malen? Diese Fragen drängen sich einem geradezu auf, wenn man vor den Bildern von Thomas Schiela steht. Geschaffen in Aquarelltechnik auf Papier oder Leinwand (bisweilen auch auf Holz oder als Glasur auf Keramik), geben seine Arbeiten Fotos wieder, die er in der Regel selbst aufgenommen hat. Man ist überwältigt von dem Reichtum an Details, die einem die teils extrem großformatigen Arbeiten bieten. Und man ist erstaunt, von der Genauigkeit, mit der klassische Handicaps der Fotografie wie Unschärfen, Verwischungen oder Verwacklungen umgesetzt sind und zu überraschenden Momenten malerischer Bravour werden. Kaum scheint es vorstellbar, dass all das ausgerechnet mit Wasserfarben möglich sein soll – einer Maltechnik, die man mit Leichtigkeit, Schnelligkeit und Unkorrigierbarkeit verbindet, und die eher für Studien und virtuose Fingerübungen in bescheidenen Formaten geeignet scheint. Insbesondere versetzt es in Erstaunen, wie es Schiela gelingt, das Licht selbst zu malen, und zwar in allen seinen Erscheinungsformen: das natürliche Licht des Tages und die künstlichen Lichter der Nacht; das Gleißen der Sonne über der Wüste und ihre farbenpralle Intensität in den Tropen ebenso wie den kühlen grauen Schein, den sie über die Nordsee legt; das Licht der flackernden Reklameschilder in amerikanischen Großstädten und das Licht einfacher Glühlampen, das den Dunst über marokkanischen Garküchen zum Leuchten bringt; das warme, von Mosaiken und Marmor, Gold und Silber reflektierte Kerzenlicht in der Grabeskirche zu Jerusalem und das kalte Strahlen vielfarbiger Leuchten in der Bar eines Spielcasinos in Las Vegas.

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Für Thomas Schiela stand niemals in Frage, dass die Malerei vom Sichtbaren handeln soll. Seine frühen Leinwände – eine exemplarische Auswahl aus den 1990er Jahren ist in diesem Katalog abgebildet – sind von einer konzeptuellen Strenge, die mit einer gehörigen Portion Ironie geimpft ist. Vor monochromen Gründen stehen zeichenhaft vereinfachte Motive: ein Colt, der anmutet wie eine absurde Replik auf jenes berühmte Gemälde einer Pfeife, „Céci n’est pas une pipe“, mit dem René Magritte den Wahrheitsgehalt von Bildern in Zweifel zog, oder männliche und weibliche Aktfiguren, die Reminiszenzen an klassische Formulierungen von Nacktheit aufrufen und zugleich unterlaufen. Mit Titeln wie „Narziss“ oder „Christiane (divinae)“ suggeriert Schiela Bezüge in der Literatur oder in der Kulturgeschichte, aber seine Malerei löst sie nur unter der Bedingung ein, sie zugleich zu entleeren und als bloße Formeln zu enttarnen. Die Anekdote, ist seine Sache von Anfang an also nicht – auch wenn er dem Gegenständlichen treu bleibt.

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Der gesamte Text von Roland Mönig findet sich im Katalog CORSO.