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Einführung zur Ausstellung „Aquarelle“
gehalten von Jutta Buschmann M.A., Kunstkreis Xanten e.V., Regionalmuseum Xanten,15.12.02

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher, auch ich freue mich, Sie hier in dieser Ausstellung mit Arbeiten von Thomas Schiela begrüßen zu können.
Der Ausstellungstitel, der von Thomas Schiela selbst gewählt wurde, heißt schlicht Aquarelle. Aquarelle besitzen seitens der Technik eine eigene sensible und ebenso spontane Qualität. Hinzu kommt die intensive Leuchtkraft der Farben, die entsteht, wenn das Papier durchschimmert, und die jeden Betrachter in ihren Bann zieht. Dann das fließende Element, das eben nur einem Aquarell zu eigen ist und auch das Ehrliche am Aquarell ist hervorzuheben, - jeder einmal gesetzte Pinselstrich bleibt sichtbar, zwar lassen sich Korrekturen vornehmen, doch die Spuren bleiben zu erkennen. Das Spektrum der Möglichkeiten von Aquarellfarben ist faszinierend, je nach Verwendung reicht es vom leichten flüchtigen Zauber einer Farbe bis hin zu ihrer größten Dichte und Intensität.
Das Aquarellieren ist in der heutigen bildenden Kunst fraglos ungewöhnlich und selten anzutreffen. Heute lautet das Stichwort für junge Kunst: Medienkunst. Fotografie, Videos und Installationen stehen als künstlerische Sprache an erster Stelle. Um so erstaunlicher die Wahl der Technik Schielas. Gestatten sie mir deshalb die Frage: Wie ernsthaft kann jemand in der zeitgenössischen Kunst Aquarelle schaffen, wo wir doch alle wissen, dass kaum noch jemand zeichnet oder malt, geschweige denn in Öl arbeitet oder gar aquarelliert. So hatte man in diesem Sommer auf der Dokumenta in Kassel den Eindruck, Kunst ist das, was man vor und zurückspulen kann. Es bleibt zu fragen: Ist Thomas Schiela in der Wahl seiner Mittel zeitgemäß?

Als ich zum ersten Mal einer Arbeit von TS hier in Xanten in seinem Atelier begegnete, war dies eine Serie von drei blauen Küchensieben oder Durchschlägen. Ich war irritiert. Zwar ist die Darstellung von Gebrauchsgegenständen als eine Art von Stilleben in der Kunstgeschichte seit langem legitimiert, aber dennoch: Ungewöhnlich und überraschend wirken die Küchensiebe, Küchentücher und Bürsten, die man im Alltag eigentlich nicht mag. Das pure nackte Sieb schnell und scheinbar leicht mit regelmäßigen Pinselstrichen zu Papier gebracht. Aus der Küchenwelt herausgerissen in blau, so wie ich meines zu Hause in orange benutze. Ich weiß, Stilleben sind in der Regel arrangiert und es werden verschiedene Gegenstände miteinander kombiniert. Dies alles fehlt bei Thomas Schiela, die Dinge wirken wie ausgeschnitten. Es gibt keinen Schatten, keinen Hintergrund, keinen Standort. Trotz dieser Mängel erlebe ich ein gewisses Wohlwollen, ja die Gegenstände gewinnen an Liebenswürdigkeit und ich weiß nicht warum. Was ist an einem Küchensieb oder Wassereimer ästhetisch? Die Form, die Farbe? Das Sieb als solches? Wohl kaum. Liegt es an der Malweise? Liegt es an der Wahl der Perspektive? Ist es der Zauber der Aquarelltechnik?

Dann die große Suppenterrine. Auch hier die nüchterne bloße Form, diesmal überdimensioniert groß, wieder ohne Schatten und ohne Standortangabe, und wüßte ich nicht genau, dass es sich abermals um einen Küchengegenstand handelt, schwebt da nicht ein Hauch von Außerirdischem in der Rahmung? Ja selbst das Papier konzentriert sich in Wellen auf die Energie zur Mitte hin.
Auch die beiden Spiegeleier scheinen zu fliegen, nur sind diese nicht überzogen groß, sondern im Gegenteil winzig klein in den Raum des Blattes gemalt.

TS möchte die Dinge auf keinen Fall symbolgeladen interpretiert wissen, die Gitterlinien eines Küchensiebs als Methapher für das Gefangensein des Hausfrauendaseins etwa? Bitte keine derartigen Deutungsversuche.

Dann ein Bruch, die Großformate. Das Großformat als Aquarell ist traditionell ungewöhnlich und außerhalb der Norm. Die zuweilen poetisch anmutenden Titel, wie „Separatisten jonglieren changierende Amphibien" geben dem Betrachter zu denken und Rätsel auf. Die Titel bezeichnen Blumenbilder, sommerliche Badeszenen oder ein Lagerfeuer.
Den Farbenmeeren der Großformate nähert man sich respektvoll und fasziniert zugleich. Und tatsächlich, die Großformate von TS brauchen die Nahsicht, nicht die Fernsicht. Neben der Farbigkeit bestechen die Großformate durch ihre malerische Perfektion und realistische Darstellungsweise. Alles erscheint richtig und stimmig gemalt, nichts ist abstrahiert, man kann die Dinge beim Namen nennen. Seine Arbeiten sind einladend, das Vertraute erweckt Vertrauen. Schiela verschont uns mit anklagenden, schockierenden Dingen der realen Welt. Seine Arbeiten sind still, zurückhaltend und kraftvoll zugleich, mit feinem poetischen Charakter ausgestattet, der durch die Titel seiner Werke unterstrichen wird. Immer läßt TS dem Betrachter Raum und Luft, eigene Wahrnehmungen und Gedanken zu entfalten, wir können gefahrlos nah an seine Bilder herantreten und gerade das Unaufdringliche ist das Befreiende und auch erfrischende Element seiner Werke.
Das dies alles so wirkt, ist beabsichtigt und der Kunstwille von TS. Die Wirkung der Arbeiten liegt bereits in ihrem Entstehungsprozess begründet. Ausgangspunkt der Großformate ist die Fotografie. Thomas Schiela geht mit der Kamera auf Motivsuche. Durch die Kamera sieht er die Welt als eine Abfolge von kurzen Klicks, erspäht die Welt durch den Sucher und hält sie fest. Endloses Filmmaterial entsteht. Gerade die großformatigen Arbeiten gehen auf Authentisches zurück. Fotos dokumentieren eine Situation, sie halten bestimmte Lichtverhältnisse bereit, das Foto ist der Beweis einer Realität. Im Prozess des Übermalens, des Übertrags der Fotowelt bringt Schiela seine Entdeckungen ein. So bleibt es nicht allein bei der perfekten handwerklichen Ausführung, sondern es entwickelt sich im Prozess des Malens eine meditative Ebene - wie TS es selbst formuliert, die sich ihm eröffnet, die hinter der bloßen Form ans Licht drängt. Schiela bleibt nicht an der Oberfläche. Sein Ziel ist es, das Vielschichtige aufzudecken und in tiefere Ebenen vorzudringen, als es die homogene Oberfläche eines zweidimensionalen Fotos zu zeigen vermag. So entsteht eine Bildwelt, in der die Vereinigung der Realität der Fotolinse und der des künstlerischen Prozesses stattfindet. Ein Prozess, der bis zu zwei Wochen andauern kann, solange brauchen die Großformate, in dem die Stimmungen und die Verfassung des Künstlers einbezogen werden.
Schielas Arbeiten werden manchmal mit der Kunstrichtung des Pointillismus in Verbindung gebracht. Gestatten sie mir dazu ein Bemerkung. Sicherlich ist die zerklüftete Malweise Schielas dank der Neoimpressionisten für unsere Sehgewohnheiten nichts Befremdendes mehr. Dennoch würde ich dieser Zuordnung nicht folgen wollen, denn diese Künstler verfolgten eine strenge Farbenlehre. Kleine Punkte eines Bildes sollten aus der Fernsicht im Auge des Betrachters zu einer Fläche zusammengezogen werden, aber gerade das beabsichtigt Schiela nicht.
Seine Bildoberflächen sind bewußt offenporig und durchlässig gehalten, um damit fühlbar und sichtbar zu machen, das sehr viel mehr hinter den Dingen verborgen liegt, als man an der Oberfläche fotografieren kann. Die Suche nach dem Verborgenen verfolgt er in seiner jüngsten Arbeit mit der Idee, zwei Bilder übereinander auf nur eine Bildebene zu übertragen. So unterlegt er aus der Serie der Badeszenen ein Foto mit einem weiteren Foto vom Lettner des Xantener Doms. Am Lettner interessiert Schiela dabei nicht die sakrale Funktion, sondern die Regelmäßigkeit der Form, das wiederkehrende und rhythmische Element, mit dem er der Badeszene eine neue Gewichtung verleiht.

Zurück zu der eingangs gestellten Frage, sind die Arbeiten von Thomas Schiela zeitgemäß?
Ich denke Ja. Thomas Schiela, Jahrgang 1966, gehört der neuen Künstlergeneration an, die wieder malt und er unterscheidet sich von den gnadenlosen Realisten. Seine Arbeiten überraschen durch Brüche, einerseits zeigt er profane Alltagsgegenstände aus neuer Perspektive, andererseits schafft er zauberhaft erzählerische Landschaftsaquarelle, sommerliche Badeszenen und Blumenmeere, bei denen man auftanken kann.
Schiela begann sein Studium der freien Malerei in Amsterdam, wechselte 1993 an die Kunstakademie in Münster, wo er 1996 zum Meisterschüler von Prof. Gunther Keusen ernannt wurde. Hinter der ursprünglich dokumentarischen Grundlage der Werke von TS - nämlich der Fotografie - steht das Ziel, Vielschichtigkeit in den Bildwelten zu formulieren, wobei ihm die Technik des Aquarellierens am meisten entgegen kommt. Dabei entwickelt er durch Kombinationen und Arrangements Bildwelten, die die Sinne des Betrachters auf sensible und zurückhaltende Weise aufmerksam machen auf tiefere Ebenen des rein optisch Sichtbaren. Schielas Arbeit ist wie ich meine aktueller denn je, denn sie macht uns auf subtile Weise deutlich, dass die tägliche Flut von Bildern, die wir aus den Medien gewohnt sind und die auf uns eindringt, nie und nimmer die eigenen Bilder und die Sehnsucht nach eigenem Begehren und Erleben ersetzen kann. Beleg dafür ist: selbst seine Fotos sind in jüngster Zeit keine zufälligen Schnappschüsse mehr, sondern es sind gestellte und von ihm sorgfältig inszenierte und komponierte Fotografien, die er in Malerei überträgt. Seit der Art Cologne im Herbst diesen Jahres heißt es, die junge Generation malt wieder auf Teufel komm raus, das ist im Fall Thomas Schiela anders, Thomas Schiela hat schon immer gemalt. Dennoch wäre seine Arbeit als Antwort auf die Medienkunst und als Reaktion auf die Welt der Medien einzuordnen.